Russlands A320-Gegenstück
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Die erste MS-21 (fast) ohne westliche Teile steht unter Strom
Russlands Flugzeugbau-Holding UAC muss ihren neuen Passagierjet MS-21 auf links krempeln: zu viele westliche Teile! Die "Russifizierung" der MS-21 läuft langsamer als geplant, aber jetzt sieht man sich in Russland auf der Zielgeraden. Erstflug? Demnächst...
Patrick Zwerger
26.04.2024
Foto: United Aircraft Corporation
Der Zeitplan ist schon längst gesprengt, aber dass man den nicht würde einhalten können, war eigentlich jedem klar. Zu umfangreich ist der Umbau der Jakowlew (früher Irkut) MS-21 auf rein russische Komponenten, als dass das Projekt innerhalb der 2022 vom Kreml genannten Frist ernsthaft umzusetzen wäre. Ansonsten stünden "russifizierte" Prototypen der MS-21 längst mitten in der Flugerprobung und die ersten sechs Serienmaschinen würden 2024 an Erstkundin Aeroflot (respektive Tochter Rossija) ausgeliefert.
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Ein Mammut-Unterfangen
Tatsächlich wird in Russland aber dieses Jahr noch gar nichts ausgeliefert – zumindest kein neues Passagierflugzeug. Denn die MS-21-310rus, so der neue Name des russischen A320-Gegenstücks, ist längst nicht fertig. Das ist kein Wunder, muss Russland doch rund zwei Drittel der ursprünglich aus dem Westen stammenden Bauteile des Airliners gegen einheimische Analoga ersetzen. Und die wiederum müssen erst einmal entwickelt, hergestellt und erprobt werden, bevor sie in den Betrieben der Zulieferer in Serie gehen können. Dass es für eine großangelegte Produktion bei fast allen Lieferanten, und auch im Flugzeugwerk Irkutsk, wo die Endmontage der MS-21 erfolgt, an Potenzial und Personal fehlt, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.
UAC
Die MS-21 startete einst als international angelegtes Programm. Das fällt den Russen nach dem Bruch mit dem Westen auf die Füße.
"Power on" für die MS-21rus
Zumindest für den Bau zweier Prototypen wähnt sich die Staatsholding UAC, die in Russland den Flugzeugbau verantwortet, jetzt aber in der Schlussphase. Das jedenfalls sagte Jakowlew-Vizechef Anatoli Gaidansky laut der russischen Luftfahrt-Webseite aviation21.ru. So stehe die erste MS-21rus bereits "unter Strom", wie Gaidansky auf einem Treffen des Lenkungskreises zur MS-21 erläuterte. "Die Hauptarbeiten an der Stromversorgung sind erledigt. Die Kommentare werden berücksichtigt und die Software hinsichtlich der Interaktion zwischen dem Hauptstromnetz und dem Flugzeug wird fertiggestellt."
Laufe bei den weiteren Tests und Inspektionen alles nach Plan, könne die MS-21 mit der Testkennung 73055 Ende Juni zum Erstflug starten. Konkret fasste der Jakowlew-Vize dafür den 30. Juni ins Auge. Das sei machbar, ergänzte Gaidansky, betonte aber: "Angesichts des aktuellen Stands der Arbeiten ist das ein straffer Zeitplan."
Noch nicht komplett russisch
Einen kräftigen Schluck Wasser in den MS-21-Wein gibt es für Jakowlew jedoch angesichts der Tatsache, dass der als "Flugzeug Nummer 12" bezeichnete Prototyp noch nicht vollends ohne westliche Teile auskommen wird. Welche Komponenten konkret noch fehlen, ist unklar. Ein komplett "importsubstituiertes" Flugzeug aber wird laut Gaidansky frühestens Ende November abheben – in Gestalt der MS-21rus 73057 (Baunummer 13). Die dann anstehenden Flugtests der MS-21rus sollen schließlich möglichst schnell in einer Zertifizierung münden – die Jakowlew im Rahmen einer erweiterten Musterzulassung auf dem Ticket der ursprünglichen MS-21 anstrebt. Nach aktuellem Stand ist die Auslieferung der ersten MS-21rus aus dem Serienbau für Ende 2025 oder Anfang 2026 geplant.
Redakteur
Hat schon als Knirps so oft es ging am Airport Kerosin geschnüffelt und die Nase durch den Flughafenzaun gedrückt. Seitdem nie ganz losgekommen von der Fliegerei - trotzdem nicht im co*ckpit gelandet, sondern beim Journalismus. Dass aus dieser Kombination am Ende ein ernsthafter Beruf herausspringt, hätte er aber auch nicht gedacht.
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